*ein Augenblick

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Kurzurlaub: Aserbaidschan</a>


Und so schwer kann es sein, eine Grenze zu überqueren. Der Beamte der Grenzkontrolle [Georgien – Aserbaidschan] stellt viele Fragen zu meinem Besuch in Armenien – Wo bin ich gewesen?, Wen habe ich getroffen? – immer wieder betont er, dass die beiden Länder im Krieg seien. Ob ich das nicht wüsste? Konflikt ja, Krise ja; aber Krieg – nein, das habe ich in der damit verbundenen Tragweite tatsächlich nicht gewusst. Ist das blauäugig gewesen? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich aus diesem Grund reise: um die Welt kennenzulernen, die ich bisher nur aus dem Diercke-Weltatlas kannte. Nun bin ich also hochgradig sensibilisiert für das Thema. Die Beziehungen zwischen Armenien und Aserbaidschan sind viel weniger als geklärt. Es herrscht noch immer Krieg um die Region Berg-Karabach / → Eine im Südwesten Aserbaidschans gelegene Region, die seit Anfang der 1990er Jahre von Armenien besetzt wird. /, gerade befinden sich beide Länder in der Phase des Waffenstillstands. Eine Lösung ist kaum in Sicht, die politischen Verwebungen sind – gleich einem Teppich aus Aserbaidschan – fein gestrickt: Die Täter-Opfer-Rollen werden von mehreren Darsteller:innen gleichzeitig gespielt.

Nach diesem unwillkommenen Empfang wird meine Rolle in den nächsten Tagen (nur) die einer Touristin sein. In Şəki, im Osten des Landes, besuche ich eine Karawanserei (um 1100) und den Khanspalast aus dem 18. Jahrhundert mit den wunderschönen Shebeke-Fenstern / → Farbige Mosaikstücke aus Glas werden ohne Nägel oder Leim in Holzrahmen eingepasst. /; in Baku, am Kaspischen Meer gelegen, die Altstadt – hier: den Palast der Schirwanschahs (15. Jahrhundert), den Jungfrauenturm (mit Ursprüngen aus dem 5. oder 6. Jahrhundert) –, ich erklimme eine Aussichtsplattform und genieße den Blick über die Stadt. Prachtvoll blüht der Oleander.

Sheki, Stadt aus Stein

Baku wirkt einerseits gespenstisch leer und sauber, alles scheint kontrolliert – durch die omnipräsente Polizei. Auf der anderen Seite: Die Menschen sind freundlich und aufgeschlossen, sie liegen am Nachmittag im Schatten auf den Wiesen, junge Pärchen turteln im Sonnenschein.

Schließlich verbringe ich nur fünf Tage in Aserbaidschan – zu wenig, um ein Land kennenzulernen. Viele Fragen sind offen geblieben, einige beantwortet. So hatte ich mir zum Beispiel das Land als das muslimische der drei Schwestern vorgestellt. Doch Religion spielt in der Gesellschaft – anders als in Georgien und Armenien – seit der Säkularisierung durch die Russen keine bedeutende Rolle mehr. Nur 10% der Aserbaidschaner:innen bezeichnen sich als praktizierende Muslime:a, dann mehrheitlich zugehörig zum schiitischen Islam / → Aserbaidschan ist damit neben dem Iran, Irak und Bahrain eines der wenigen Länder mit schiitischer Bevölkerungsmehrheit. /

Nun ist es also Zeit, vom Kaukasus Abschied zu nehmen. Ich bin tief beeindruckt, von der Vielfalt dieser Region, der Geschichte, der Kultur, den Menschen. Drei Länder, die so viel Vergangenheit gemein haben, und heute kaum unterschiedlicher sein könnten.

Interesting!
Absolut empfehlenswert: Das Carpet-Museum in Baku. Hier werden die Ursprünge, die Materialien und die Bedeutung des Teppichwebens vorgestellt. Die Teppiche sind je nach Region unterschiedlich angefertigt und gestaltet. Die aserbaidschanische Teppichwebkunst gehört seit 2010 zum immateriellen UNESCO-Weltkulturerbe der Menschheit.