*ein Augenblick

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Bolivien – kurz vorbeigeschaut


Im Auge der Betrachterin: Eine weißgestrichene Landschaft. Glitzernd-klirrend kleine Kristalle – zu  deinen Füßen, verbinden sich zu einer spiegelglatten Oberfläche. Am Ende der Welt ein imaginierter Strich, teilt doch augenscheinlich diese Welt. Darüber: ein mattes Blau. Lass' deinen Blick schweifen, immer weiter hinauf. Das Blau wird strahlender, himmelblau. Und über dir eine Wolke, einzig eine einzelne. Mit Abbild im Spiegelschein. Welch' atemberaubende Kulisse rufst du in das Nichts hinein. / Herzlich Willkommen in Bolivien!

Dem Himmel so nah

Salar de Uyuni, die Salzwüste im Südwesten Boliviens ist mit über 10.000 km² die größte und höchstgelegene // → 3.635m // Salzpfanne der Welt. Schätzungen zufolge liegen hier zehn Milliarden // → 10.000.000.000! // Tonnen Salz, wovon jährlich „nur“ 25.000 Tonnen abgebaut werden, vornehmlich für den nationalen Markt.

Rebecca, eine Frankfurterin, die ich in Copacabana am Titicaca-See // → Meine erste Station in Bolivien. Ich bin freudig aufgeregt den höchstgelegenen See (schiffbar) der Erde zu besuchen. Doch die Erfahrung lässt mich nur mäßig begeistert zurück. Vielleicht auch weil ich krank bin, hüpft mein Herz nicht wie erwartet //, kennenlerne, und ich buchen eine dreitägige Tour durch die Salzwüste. Wir fahren von La Paz // → Zweite Station: Die höchstgelegene Regierungsstadt der Welt beeindruckt mit einem städtebaulichen Höhenunterschied von fast 1.000m (3.200m → 4.100m). Die Seilbahn prägt das Stadtbild. Es riecht nach Aufbruch – ich mag La Paz // mit dem Bus nach Oruro, von dort mit dem Zug durch die bolivianischen Weiten nach Uyuni, dem Ausgangspunkt vieler Touren. Veranschlagte Reisezeit: sieben Stunden. Kurz vor Sonnenuntergang kommt der Zug zum Stehen, und fährt die nächsten drei Stunden nicht weiter. Grund: Ein stehengebliebener anderer Zug behindert auf dem eingleisigen Weg die Weiterfahrt. Nach einer Gesamtreisezeit von fünfzehn Stunden kommen wir schließlich – mitten in der Nacht – in Uyuni an, finden einen erschwinglichen Schlafplatz, der uns ein paar Stunden Ruhe schenken wird, am nächsten Morgen zehn Uhr geht es los. Es wird eine wunderbare Reise durch eine einzigartige Naturlandschaft werden.

Auf dem Weg zu den einzelnen Wundern der Natur sitzen wir die meiste Zeit im Jeep. Unsere Reisegruppe besteht aus vier Engländer:innen, zwei Südkoreaner:in – ein Jeep, sowie in einem weiteren: Leroy, unser englischsprachiger Reiseleiter, Rebecca und ich, eine Chinesin, zwei Deutsche, die schon mehrere Jahre in Shanghai leben. Sie erzählen irgendetwas von einem Corona-Virus, weshalb sie ihr Restaurant schließen mussten. Ich höre nur halb aufmerksam zu, schaue lieber gedankenverloren in die wüstenweite Landschaft.

Unsere Reisegruppe, gespiegelt - ausgeklügeltes Photomotiv

Blick in die wüstenweite Landschaft

Tag 1

Zugfriedhof, hier: Stark verwitterte // → Salz, Wind und Wetter // Lokomotiven und Eisenbahnwaggons. Früher wurde das gewonnene Salz mit der Bahn nach Chile transportiert, heute: mit Lastwagen.

Zug, tot

Colchani: Dieser kleine Ort ist das Zentrum der Salzgewinnung, inkl. Museum über die Salzherstellung. 

Leroy, unser Guide

Salzwüste: Kilometerlange weiße Weiten, Photo-Action, Sonnenbrand und Sonnenuntergang. Auf der Isla Incahuasi stehen die ältesten Kakteen Boliviens // → Echinopsis atacamensis //. Sie wachsen pro Jahr nur einen Zentimeter, sind bis zu zwölf Meter hoch, und somit ca. 1.200 Jahre alt.

Isla Incahuasi

Tag 2

Wir besuchen mehrere Lagunen, die spektakulärste: die Laguna Colorada auf 4.278m Höhe. Durch eine unterschiedlich schnell ablaufende Photosynthese wandeln sich die Rottöne verschiedenartig schattiert. Wir sehen Flamingos, Viscachas // → eine Nagetierart aus der Familie der Chinchillas // und einen Steinbaum in der sonst so leblosen Umgebung. Am Abend bestaunen wir zudem noch eine brodelnde Landschaft, die Sol de Mañana, die Ähnlichkeit mit meiner Vorstellung von einen fremden Planeten hat: Der Erde entspringen nach Schwefel riechende Gase, Dampf tritt aus zahlreichen Löchern // → Fumarole //, es quellt der Schlamm in lustigen Blasen, und Siehe da, eine Wasserfontäne! // → Geysir //. Wir befinden uns weiterhin in schwindelerregender Höhe, auf 4.850m. Ich fühle mich als Teil einer Erzählung, die von der Endzeit berichtet: Wir als letzte Überlebende entdecken hier, an diesem Ort, die Kraft der Natur, die sich einerseits so übermächtig zeigt, von allen anderen Seiten ausdrucksschwach. Die nahende Dunkelheit ergänzt das Bühnenbild auf schauerliche Weise.

Später als wir in unserer Unterkunft ankommen, haben wir zum Tagesabschluss die Gelegenheit in einer heißen Quelle zu baden: Die Außentemperaturen sind kalt als ich in Badekleidung meinen Fuß in das 40 Grad warme Wasser tauche, sodann den zweiten. Die Wärme umschließt meinen Körper,  meine Muskeln entspannen sich sofort. Es ist der Himmel auf Erden, hier in der bolivianischen Wüste, unter einem reichen Sternenhimmel – ein großes Glück, das ich empfinde. Ein perfekter Moment, wären die anderen Menschen, laute Plappermäuler, nicht am selben Ort, wäre nur ich dort gewesen, hätte ich meine Gedanken verloren und mich in diesen Himmel geträumt.

Die heiße Quelle, bei Tag

Tag 3

Der dritte Tag beginnt mit dem Besuch einer weiteren Lagune, der Laguna Verde. Im Hintergrund der malerische knapp 6.000m hohe Vulkan Llicancabur an der Grenze zu Chile. Anschließend sehen wir ausgeklügelte Felsformationen, bevor wir unsere mehrstündige Rückfahrt nach Uyuni antreten. Nicht müde werdend ob der Schönheiten dieser Welt, verpacke ich sorgfältig meine Eindrücke und verstaue sie in meinen Erinnerungen.

Auf der anderen Seite ist Chile

Fels, anthropomorph

Die Tour kostet 1.300 Bolivianos // → 173 Euro //, hier inkludiert: zwei Übernachtungen, Vollpension, Eintritte in die Nationalparks, hunderte Kilometer Autofahrt, Rundum-Betreuung durch unseren Reiseleiter – ein großartig, intelligenter, junger Mann, der uns ausführlich Bericht erstattet über Gesteinsschichten und Vulkanaktivitäten, über Brut- und Balzverhalten der Flamingos // → Es gibt sechs verschiedene Flamingo-Arten, drei davon kommen (fast) ausschließlich in Südamerika vor: der Anden-, der James- und der Chile-Flamingo //, über die Natur und Kultur Boliviens im Allgemeinen. Diese Reise prägt (erneut) meine Begeisterung für die Natur dieser Erde nachhaltig, sie ist jeden Boliviano wert.

 

Interesting!

Das in Europa seit einigen Jahren beliebte Superfood Quinoa wird in den Anden angebaut. 95% der weltweiten Produktion stammt aus Bolivien und Peru. Die seit 5.000 Jahren bekannte Kulturpflanze ist anspruchslos und wächst bis in Höhen von 4.200m. Eine steigende Nachfrage auf dem Weltmarkt erhöht die Preise, an denen leider erstens die heimischen Bauern nur selten Anteil haben, und zweitens verursacht, dass sich Quinoa immer seltener auf ihren eigenen Speiseplan wiederfindet. Die langen Transportwege und eine Überanspruchung der Böden bescheinigen heute darüber hinaus eine eher negative Klimabilanz dieses Nahrungsmittels.