*ein Augenblick

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Auf den Spuren der Seidenstraße, Usbekistan</a>


Zunächst zweierlei:
1) Wenn ihr nach Usbekistan fahrt, wundert euch nicht, wenn ihr des Öfteren auf der Straße angesprochen und um ein Selfie gebeten werdet. Die Usbek:inn:en lieben Tourist:inn:en! Sie lieben es, Bilder mit den Fremdaussehenden zu machen – Lächeln. Klick! – und sie, hier: vor allem die Kinder, lieben es, ihre englischen Sprachkenntnisse zu trainieren: Hello! / How are you? / What's your name? / Where are you from? / How old are you? / What is your favourite colour?
2) Fahrt nach Usbekistan!

Selfie mit einer Usbekin

Ich reise über die Landgrenze von Osh (Kirgistan) nach Andijon in Usbekistan ein und befinde mich sogleich im üppigsten // → Natur, Bevölkerung und Wirtschaft // Teil des Landes, dem Ferghana-Tal. Schaut man sich Usbekistan auf der Landkarte an, so muss man feststellen, dass sich die Grenzen – besonders im Ferghana-Tal – recht seltsam schlängeln. Dies ist keiner natürlich gewachsenen Geschichte zu verdanken, sondern einer eigenwilligen Grenzziehung bei der Gründung der Usbekischen Sozialistischen Sowjetrepublik im Jahr 1924 // → Zuvor war das Staatsgebiet in verschiedene Khanate (von: Khiva, Bukhara, Kokand) aufgeteilt. // – damals ein politisches Mittel, das noch heute für Konflikte sorgt.

Mein erster Eindruck von Usbekistan: weiße Chevrolets // → General Motors ist mit 25% Anteilseigner des größten Autowerkes des Landes. // fahren durch staubige Straßen, am Straßenrand werden dutzende Wassermelonen verkauft. Und es ist heiß. Doch es soll noch heißer werden: „Drei Viertel des Landes sind von Wüsten und Halbwüsten bedeckt.“* Noch in Kirgistan seiend, wurde mir abgeraten zu dieser Jahreszeit nach Usbekistan zu reisen, besser geeignet wäre April oder Mai oder der September/Oktober. Ich gebe zu, das habe ich schlecht recherchiert beziehungsweise ich gebe zu, das habe ich gar nicht recherchiert. Wer konnte schon ahnen, dass Usbekistan wüstisch ist. Doch nun bleibt mir keine Wahl. Ich will dahin, ich will die einstigen Städte der Seidenstraße // → Ein altes Netz von Karawanenstraßen von Ost- über Zentralasien zum Mittelmeer, zum Ideen- und Warenaustausch, z.B. Seide – Seidenfabrik besucht in Margilan. // mit den wunderbaren Namen: Samarkand, Bukhara, Khiva sehen.

Und so reise ich mit dem Zug – Endlich wieder Zug (≠Marshrutka, Shared Taxi) fahren! – quer durchs Land, sehe wunderschöne Moscheen, Mausoleen, Medresen // → Bildungseinrichtung, in der islamische Wissenschaften, aber auch – je nach Intention des Herrschers und der Größe und Ansehen der Medresse – andere Wissenschaften gelehrt wurden //, erfahre Wissenswertes über deren Dekoration // → vom Zuschnitt monochromer Keramikplatten (Mosaik) bis zur Entwicklung verschiedener Brennmethoden (Dauer und Zusätze) zur Gestaltung farbenprächtiger Grün und Blautöne auf einer Fliese //. Fühle mich wie in 1001 Nacht! Und ich lerne Ulug Bek kennen: 1349 – 1449, Enkel des großen Timur, Herrscher über Samarkand, aber vor allem ein begnadeter Wissenschaftler, der ebenso ein Förderer der Wissenschaften war. Sein Spezialgebiet: die Mathematik und die Astronomie. Im Samarkander Observatorium des Ulug Beg wurde das Sternenjahr auf 365 Tage, 6 Stunden, 10 Minuten und 8 Sekunden berechnet, nur „einige Sekunden länger, als es heute mit modernen Methoden gemessen wird.“*² Das war in den Zwanziger Jahren des 15. Jahrhunderts.

Usbekistan fasziniert, begeistert, macht schwärmend. Usbekistan verändert sich. Bis 2016 galt das Land unter der 25-jährigen Herrschaft Islom Karimovs als eines der repressivsten der Welt: fehlende Meinungs- und Pressefreiheit, Inhaftierungen politisch und religiös Verfolgter, Polizeigewalt, z.B. 2005 in Andijon. Heute scheint sich das Land zu liberalisieren: Öffnung nach außen, z.B. durch die Aufnahme nachbarschaftlicher Gespräche; Freilassung politischer Gefangener; Visa-Freiheit für 64 Staaten, darunter die Länder der Europäischen Union, inklusive weniger aufwendigen Grenzkontrollen; theoretische Verfügbarkeit von Bargeld an Geldautomaten.

Es bleibt spannend und ungewiss, was die Zukunft bringen, wohin sich das Land entwickeln wird. Baustellen gibt es viele, die größte und dringlichste: Die Wasserknappheit, die das Land verdursten lässt, wenn nicht bald flächendeckend umgedacht wird. Im Zuge meiner Faktenrecherche für diesen Artikel habe ich einen ganz wunderbaren, wenn auch traurigen, aber sehr informativen Beitrag des Nachrichtenmagazins Weltspiegel gefunden, der alles sagt, was ich sagen wollte. Bitte anschauen, unbedingt sehenswert:

Interesting!
Usbekistan ist einer von nur zwei Staaten auf der Erde, der weder einen eigenen Zugang zum offenen Meer hat, noch eines der angrenzenden Länder. Das heißt, Usbekistan ist doppelt binnenstaatlich: man muss zwei Grenzen passieren, um zum offenen Meer zu gelangen. Das andere Land mit dieser Besonderheit ist Liechtenstein. Aber Liechtenstein grenzt ja sowieso nur an zwei Länder, daher ist das ein bißchen langweilig – Usbekistan grenzt dagegen an fünf!

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* Ducke, Isa / Thoma, Natascha: Usbekistan. Dumont-Verlag, Köln: 2019. 3., aktualisierte und erweiterte Auflage, S. 24.

*² ebda., Seite 224.