Ecuador – unübertroffen freundlich


Es ist kurz vor Weihnachten, als ich nach Ecuador reise. Und obwohl ich dieses Jahr so gar nicht in Stimmung bin – zu viel weihnachtsrelevantes fehlt einfach: Glühwein, Weihnachtsmarkt, Gemütlichkeit, Familie und Freunde, Lebkuchen … –, werde ich, je näher Heiligabend rückt, ein wenig melancholisch. Am 23.12. spiele ich aus Mangel an Gesellschaft im Hostel in Quito abends allein Billard. Erst bemitleide ich mich selbst, dann beglückwünsche ich mich zu ausgeklügelten Spielmanövern.

Einen Augenblick später.
Ich lerne Lisanne aus Holland kennen und wir verbringen gemeinsam den schönsten Heiligabend, den man sich auf Reisen nur vorstellen kann: Wir gehen mittags im Botanischen Garten schlendern, danach fahren wir mit dem Teleférico // → Seilbahn // auf ca. 4.000 m Höhe und genießen die Aussicht über Quito // → Quito liegt auf 2.850m und ist damit die höchstgelegene Hauptstadt der Welt //, inklusive Schaukeln am Abgrund. Schaukeln macht Spaß! Später essen wir mit anderen Reisenden aus Brasilien, Argentinien, Russland und Italien zu Abend und gehen zusammen aus, zum Schluss zu bester elektronischer Tanzmusik.

Und dann wartet noch das schönste Weihnachtsgeschenk auf mich: Am 2. Weihnachtsfeiertag kommt mich meine Schwester besuchen. Plötzlich – und für die nächsten drei Wochen – bin ich zu zweit.

Schwestern, fröhlich

Schwestern, fröhlich

Wir erkunden das Land entgegen dem Uhrzeigersinn: Quito, Canoa, Puerto Lopez, Cuenca, Baños, Cotopaxi, Quito. Wir sitzen an 10 von 21 Tagen in einem Bus und wundern uns, warum hier immer nur Schießfilme gezeigt werden.Von fliegenden Verkäufer:innen, die plötzlich im Bus auftauchen, essen wir leckeren Bananenkuchen und kaufen Empanadas // → Gefüllte Teigtaschen. Lecker mit Käse //. Auf einer weiteren Busfahrt hören wir einem Salbenverkäufer aufmerksam zu, und schließlich, schwach werdend, erwerben wir drei zum Super-Sonderpreis. Die Salbe lieben wir vom ersten Augenblick an, es ist eine Zaubersalbe // → Inhaltsstoffe: Basilikum, Minze, Rosmarin und the spiritual Palo Santo //.

Am jeweiligen Ort ankommend genießen wir die Aussicht von der Dachterrasse des Hostels, sechsmal wahrlich verschieden – sechsmal wunderschön:

Meine schönsten Ferienerlebnisse. Es sind zwei.
Unten. Ganz tief in einer anderen Welt. Wir besuchen die Isla de la Plata // → Die Insel liegt vor der Festlandküste Ecuadors im Pazifischen Ozean // und lernen den schicken Blaufußtölpel kennen. Anschließend begeben wir uns in die Tiefen des Meeres, wir schwimmen mit hunderten Fischen, die bunter sind als bunt. Sie lassen uns ein in ihren Schwarm, begrüßen uns herzlich, zeigen uns ihre Welt aus Muscheln und Steinen, deuten an, dort gibt es noch ein tieferes Meer mit größeren Geheimnissen, laden uns ein, sie zu begleiten, wir bedanken uns zu Tränen gerührt, die verschwinden im Lachen des Ozeans, rufen „später, später, wir kommen wieder.“

Oben. Am anderen Ende der Welt. Noch versteckt sich der Cotopaxi // → Der zweithöchste Berg Ecuadors und einer der höchsten aktiven Vulkane der Welt. Alexander von Humboldt besteigt den Cotopaxi 1802, allerdings nur bis zu einer Höhe von 4.400m. Erstbesteigung erfolgt 1872 durch Wilhelm Reiß // hinter einem Band aus Wolken. Später, zum Sonnenuntergang jedoch wird er sich mit seinem schneebedecktem Haupt majestätisch im Abendlicht rekeln. Frohlockend. Einladend. Ja, wir kommen. Am nächsten Tag machen wir uns auf den Weg, unseren ersten Vulkan zu erklimmen. Der Anstieg bis zur Schutzhütte ist kurz und knackig, wir laufen über Stein und Geröll, der Blick in das ferne Nichts gerichtet. Eine traumhaft schöne Kargheit auf fast 5.000m Höhe. Wenn ich groß bin, möchte ich Bergsteigerin werden, und dann komme ich wieder: Dieses Mal starte ich um Mitternacht an der Schutzhütte und erklimme den Gipfel, auf 5.897m!

Schwestern, stolz

Schwestern, stolz

Und es sind hundert weitere:
Wie wir beide zum ersten Mal im Pazifischen Ozean baden, und gegen die Wellen kämpfen. Sie sind stark, doch wir sind stärker. / Szenenwechsel / Wie wir in Baños erst ganz fleißig alle Ausflugsmöglichkeiten recherchieren, um dann schließlich nichts von all dem zu machen, sondern nur abzuhängen und uns wahnsinnig lässig zu finden. / Szenenwechsel / Wie wir nahe Quito zum Mittelpunkt der Welt fahren, und lustig von einer Hemisphäre in die andere springen, als ob nicht nur die Zeit sondern auch der Raum ein Konstrukt ist. Ist er doch. / Szenenwechsel / Wie wir in Puerto Lopez zu einer Strandparty eingeladen werden, zu der wir auch gehen und bis zwei Uhr nachts im Sand unter Sternenhimmel tanzen. Und danach noch mit den Jungs am Straßenrand abhängen. / Szenenwechsel / Wie wir staunend in der Jesuitenkirche in Quito sitzen und, uns an unser religionswissenschaftliches Studium erinnernd, die Zeichen zu deuten versuchen. / Szenenwechsel / Wie wir, unter anderem auch in Cuenca, die Zeit nicht kennen und doch noch ein Bier bestellen, weil wir gerade so schön ins Plaudern gekommen sind. / Szenenwechsel / …


Ach Suri, es war eine traumhaft schöne Zeit, ich danke dir!

Schaukeln macht Spaß, Teil II

Schaukeln macht Spaß, Teil II

Auch bedanken möchte ich mich – und zugleich das Überschriften-Rätsel lösen – bei den wunderbaren Ecuadorianer:innen. Diese Freundlichkeit, die uns begegnet, ist nicht mit tausend liebreizenden Worten wiederzugeben. So werde ich es nicht versuchen. Doch soviel muss gesagt sein: Wir sind entzückt, wir sind sprachlos, wir sind begeistert. Es ist Señor Alvarez, der mit mir zum Flughafen fährt, um Daniela abzuholen und sie kurz nach mir umarmt und sie herzlich Willkommen heißt in Ecuador. Es ist Lijia, unsere Hostelmama in Quito, die sich so rührend um uns kümmert. Es ist der alte Opa, der uns auf der Straße zuwinkt. Es ist die Frau neben uns am Marktstand, die uns anlächelt und fragt, woher wir kommen. Es sind die jungen Männer, die uns zur Strandparty einladen. Es ist Fernando, der sagt, dass wir immer ein Zuhause bei ihm haben werden. Es sind die vielen Menschen am Busbahnhof, die uns unaufgefordert den Weg zeigen. Es sind die, die sich freuen, dass wir ihr Land besuchen. Ja, wir freuen uns wie verrückt, dieses wunderschöne Land kennengelernt zu haben. Und während ich diese schreibe bekomme ich eine Gänsehaut.

Interesting!
Seit September 2000 zahlt man in Ecuador mit dem US-Dollar. Die Entscheidung, den US-Dollar als allein gültiges Zahlungsmittel einzuführen, wurde aufgrund einer stetig wachsenden Inflationsrate der vorangegangenen Jahre bis zu einer Inflation von 90% im Jahr 1999 getroffen.

Zurück
Zurück

Bolivien – kurz vorbeigeschaut

Weiter
Weiter

Peru – hintenrum ans andere Ende der Welt / landschaftlich atemberaubend